Neues Leben für totgeglaubte Möbel

DSC_0071Erbstücke, Dachbodenfunde oder Museumsobjekte – bei Henriette Jordan landen Möbel, an denen der Zahn der Zeit gewaltig genagt hat. Diese mit neuem Leben zu erfüllen ist die Aufgabe der Münchner Restauratorin. Ihr Handwerk erfordert Fingerfertigkeit, detektivischen Spürsinn und Verständnis für althergebrachte Techniken.

von Dominic Konrad

Die Beine sind leicht nach außen gebogen, in der Mitte der Lehne sitzt ein messingfarbenes rundes Emblem. Elegant sieht er aus, dieser klassizistische Lehnstuhl aus dem 19. Jahrhundert, so als hätten gutbetuchte Bürger gerne in ihm Platz genommen. Doch seine besten Tage hat er schon längst hinter sich: Stumpf ist das Holz, das Geflecht der Sitzfläche ist verformt und gerissen. Ein typischer Fall für Henriette Jordan. Wer Möbel wie diesen Stuhl erbt oder auf dem Dachboden findet, der wendet sich vertrauensvoll an die junge Restauratorin aus München.

Die Kunst der Restaurierung (Video)

Man dürfe nicht wählerisch sein bei den Aufträgen, die man annimmt, sagt Frau Jordan mit Hinblick auf die Möbelstücke, die sich derzeit in ihrer kleinen Werkstatt finden. Unter ihren Patienten findet sich auch ab und an Massenware aus den 1950er-Jahren, die – objektiv betrachtet –  keinen besonderen Wert besitzen. Doch für viele ihrer Kunden zählt in erster Linie die emotionale Verbindung zum Möbel.

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Vorher-Nachher: Ein Stuhl mit durchgesessenem Geflecht, wenn er bei Henriette Jordan ankommt und wie er später die Werkstatt wieder verlässt.

Stuhlgeflechte oder Blattvergoldungen sind eigentlich nur bedingt Aufgaben für den Restaurator, es gibt auch die Ausbildungsberufe des Korb- und Stuhlflechters und des Vergolders. Allerdings hat Henriette Jordan in ihrer Ausbildung beides gelernt. Nach dem Abitur stand für sie fest, dass in der Universität weiterpauken keine Zukunftsoption war. Henriette Jordan wünschte sich einen Beruf, bei dem sie mit beiden Händen zupacken konnte. Während eines Aufenthalts in Italien machte sie sich dann mit der Restaurierung vertraut und begann ihre Ausbildung in Florenz, einer der Hochburgen der Kunst- und Kulturgeschichte. „Aus einem geplanten Jahr wurden schlussendlich vier“, erinnert sich Henriette Jordan mit einem Lächeln. Zurück in Deutschland folgte die Weiterbildung zur staatlich geprüften Restauratorin.

Was der Restaurator für seine Arbeit nutzt… (Video)

Neben der Arbeit in ihrer Werkstatt hat Henriette Jordan auch schon mehrfach an größeren ortsgebundenen Projekten im In- und Ausland mitgewirkt. So holte man sie einmal mit einem Team von Restauratoren nach Usbekistan, um Wandpaneele neu zu vergolden. Ein anderes Mal legte sie auf Schloss Esterházy im österreichischen Eisenstadt Wandverkleidungen frei und arbeitete die Parkettfußböden auf. Ein erhabenes Gefühl sei das gewesen, so Henriette Jordan, zu wissen, dass über den Fußboden, den sie bearbeitete, bereits die große Kaiserin Maria-Theresia geschritten sei.


Impressionen aus der Werkstatt: Henriette Jordan öffnet die Tore auch für Laien, die sich für die Restaurierung interessieren.

Angst davor, ein Objekt durch ihre Arbeit unwiederbringlich zu ruinieren, habe sie nicht, sagt Frau Jordan selbstbewusst, dürfe sie auch gar nicht haben. Schlimmer als der Ist-Zustand könne es in der Regel sowieso nicht mehr kommen. Und außerdem: „Grundsätzlich ist jede Restaurierung reversibel“, erklärt die Restauratorin.

Genauso bodenständig fällt die Antwort auf die Frage, wie man seine Antiquitäten zu Hause am besten pflege: „Am besten tun Sie gar nichts.“ Denn jahrhundertealte Stücke entfalten ihre Schönheit gerade auch ohne handelsübliche Reinigungsmittel und
Pflegeprodukte.

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Henriette Jordan – Staatl. geprüfte Restauratorin für Möbel- & Holzobjekte
www.jordan-restaurierung.de